Wissenschaftlich widerlegt

Veröffentlicht am 29.07.2013 in Jusos in Aktion
 

Das Thema der doppelten Staatsbürgerschaft und die einhergehenden Vorurteile diskutierten die Jusos kürzlich im Löwen in Großdeinbach. Mit dabei war wissenschaftliche Unterstützung durch Dr. Rolf Gutmann aus Stuttgart, Fachanwalt für Verwaltungsrecht mit dem Schwerpunkt Ausländerrecht sowie Vatan Ukaj, Student der Politikwissenschaft und Şükriye Eldemir, Studentin an der PH in Schwäbisch Gmünd, die die Sicht der jungen Generation darstellten. Ferdinand Kuschnick aus Heubach, Mitglied des SPD-Migrationsbeirats auf Landesebene, übernahm die Moderation. In den Abend führte der Geschäftsführer der Jusos, Jakob Unrath, ein und erinnerte an die lange Diskussion beim Thema doppelte Staatsbürgerschaft und den jüngsten Anlauf der SPD-geführten Länder, um im Bundesrat in der Sache voranzukommen.

Die Gegner führten immer wieder Argumente in den Raum, die an die Thesen von Thilo Sarrazin erinnerten. Man müsse "Parallelgesellschaften verhindern" und kriminelle Ausländer dürften nicht die Möglichkeit haben, sich durch den "Doppelpass" in ihr Herkunftsland abzusetzen. Diesen Ball nahm Dr. Gutmann auf und erläuterte an Hand von Zahlen und Statistiken, dass viele Aussagen am Stammtisch, insbesondere die von Sarrazin falsch sind. Deutschland läge bei dem Anteil von Ausländern im europäischen Mittelfeld, eine hohe Immigrationsquote sei nicht zutreffend. Nachbarländer wie Luxemburg oder die Schweiz hätten Anteile, die das Vielfache der deutschen Zahlen darstellten. Zuwanderung habe es ebenso immer gegeben und wenn man sich die Zahlen im Vergleich der Industrieländer genauer anschaue, müsste am Stammtisch viel eher ein Dreisatz diskutiert werden. "Reiche Länder haben einen hohen Ausländeranteil, arme Länder haben einen niedrigen Ausländeranteil. Wer den Ausländeranteil bei uns verringern will, muss den Preis darum wissen", so Gutmann. Gerade Sarrazin greife die Zahlen verschiedener Studien auf, vermische sie und brächte sie in einen Zusammenhang, die nicht dem wissenschaftlichen Standard bei der Arbeit in diesem Bereich entsprechen. Völlig willkürlich seien auch die Behauptungen, dass anhand der Religion festzustellen sei, dass Muslime ungebildeter seien als andere Migrationsgruppen aus einem christlichen Herkunftsland. Nach diesen Methoden könne man mit den Zahlen aus deutschen Sonderschulen darauf kommen, dass ein katholischer Hintergrund als Hemmung für Bildung stehe. Dies sei Unsinn, so Gutmann. Auch wenn über einige wenige Ansätze aus dem Buch von Sarrazin eine offene gesellschaftliche Diskussion stattfinden müsse, so habe das Buch insgesamt der Integration und dem Vorankommen auf diesem Feld geschadet.

Dies unterstrich auch Ferdinand Kuschnick, der sich seit mehreren Jahren stark in der Integrationsarbeit engagiert. Şükriye Eldemir, die selbst in Deutschland geboren ist, an der PH in Schwäbisch Gmünd studiert und das Amt der Dialogbeauftragte der DITIB Moschee in Schorndorf ausübt, berichtete über viele Probleme der Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die durch die derzeitge gesetzliche Regelung bestehen. "In der Türkei gelte ich als `die Deutsche´, in Deutschland bin ich `die Türkin´. Viele Jugendliche wissen nicht, wo sie eigentlich hingehören, obwohl sie sehr lange hier leben", so Eldemir. Dies unterstrich auch Vatan Ukaj. Viele Migrationsgruppen hätten dieses Problem und würden durch die derzeitige Regelung dazu gezwungen, sich zwischen Tradition und Kultur ihres Herkunftslandes und der neuen Heimat in Deutschland zu entscheiden.

Auch Gutmann bestätigte, dass die Regelung, wonach sich in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern bis zum 23. Lebensjahr entscheiden müssen, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft oder die ihrer Eltern annehmen wollen, keinen Einfluss auf eine bessere Integration bestimmter Bevölkerungsgruppen hätte. "Dies verhindert keine "Parallelgesellschaften", die übrigens in der deutschen Geschichte auch schon seit mehreren hundert Jahren in den christlichen Religionsgruppen auftreten". Auch das Argument "kriminelle Ausländer" hätten durch einen Doppelpass die Möglichkeit der deutschen Justiz zu entgehen, halte der Praxis nicht stand. Gutmann nannte einen aktuellen Fall aus der Presse, bei dem ein türkischer Jugendlicher versuchte, den Behörden durch eine Ausreise in die Türkei zu entgehen. Ergebnis war, dass dieser sehr schnell wieder nach Deutschland zurückgekommen sei, da die drohende Inhaftierung in der Türkei ihn zur Rückreise veranlasste.

Ukaj und Eldemir wiesen darauf hin, dass es Stadtteile in Berlin und anderen Großstädten gebe, die problematisch seien. Dort funktioniere Integration nicht, schon über Generationen hinweg. Davor dürfe man nicht die Augen verschließen und müsse handeln. Pauschal aber mit dem Finger auf alle zu zeigen, führe zu nichts. Die Betrachtung des Einzelfalls bleibe wichtig. Viele Fehler seien eben auch schon in den Anfängen gemacht worden. Deutschland brauchte für sein Wirtschaftswunder billige Arbeiter, gekommen seien aber Menschen. Viel könne man nicht mehr korrigieren, aber für die Zukunft und die Jugend noch einiges tun. Unrath bedankte sich nach der Diskussion mit den Mitgliedern und Bürgerinnen und Bürgern bei den Podiumsteilnehmern mit einem kleinen Geschenk. Er betonte für die SPD, dass man weiter versuchen werde, die doppelte Staatsbürgerschaft durchzubekommen. Das stehe im Regierungsprogramm der SPD und die Regelung sei längst Standard in allen großen Industrienationen. Die CDU nutze das Thema gerne um Vorurteile zu bedienen, die SPD schließe sich dem nicht an und stehe klar hinter dem Vorhaben. Bei der Bundestagswahl werde auch über diese Frage konkret entschieden.

 

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